Gefördert von der Volkswagen-Stiftung (Förderlinie:“Pioniervorhaben:Explorationen des unbekannten Unbekannten) (Laufzeit: 2025-2028)
Namibias politische Identität im Werden ist von einer wechselvollen Geschichte zwischen Fremdherrschaften und freiheitlicher Selbstbestimmung geprägt. Das Erbe der Kolonialgeschichte liegt schwer auf dem kollektiven Gedächtnis namibischer Identität und verzögerte Namibias Entwicklung zu einem freien, selbstbestimmten und eigenständigen demokratischen Staat bis 1990 merklich. Namibias politische Freiheit lässt sich als Ergebnis von Verflechtungen verschiedentlicher gesellschaftlicher, sozialer, religiöser und kultureller Aspekte beschreiben, die insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielfältige Emanzipationsbewegungen evozierten, die, gerade mit Blick auf die politischen, aber auch kirchlichen Beziehungen zu Europa und Südafrika in einen wörtlichen Kampf des Landes um seine politische Unabhängigkeit mündete. In den Zusammenhang der deutschen Kolonialisierung Namibias im 19. Jahrhundert (Deutsch-Südwest-Afrika), deren Schatten die gesellschaftlichen Diskurse im Land transgenerational bis heute imprägnieren, gehört auch die die nachhaltige und institutionelle Etablierung protestantischer Kirchen in Namibia. Die Rolle der Kirchen ist im Lauf der politischen Entwicklungen Namibias immer von großer Bedeutung gewesen. Dabei blieben die Kirchen Namibias auch in nachkolonialer Zeit stets in engem Austausch mit den jeweiligen Kirchen der Herkunftsländer. Die Einflussnahme europäischer, mit der Zeit dann vor allem südafrikanischer Kirchen auf den Lauf der Geschichte Namibias ist nachweislich hoch. Welche Rolle nun die Verflechtung (Entanglement) von Politik, Kirche und Theologie für die Prozesse und Dynamiken des namibischen Befreiungskampfs samt seiner Vorgeschichte (1957–1990) gespielt hat und wie insbesondere der politische Befreiungskampf theologisch und kirchlich vorbereitet und geprägt sowie semantisch durchdrungen wurde, möchte das Forschungsprojekt an bisher unbekanntem Quellenmaterial und unter Zuhilfenahme von bisher nicht geführten Zeitzeug*innen-Interviews herausarbeiten. Dabei wird auf Methoden von Entangled History und Oral History zurückgegriffen, um den kirchenhistorischen Fachdiskurs in globalgeschichtlicher Perspektive gezielt zu weiten. Das gezielte Herauspräparieren dieser Verflechtungsstrukturen birgt aber auch im Hinblick auf Netzwerkanalysen das Potenzial, die Geschichte der Emanzipierung unterdrückter Freiheitsinteressen sowie die Rolle von Religion, Kirche und Theologie in derartigen Entwicklungen grundlegender verstehen und beschreiben zu können. Zudem erlauben derartige Erkenntnisse einen tieferreichenden Einblick in die systemsprengende Kraft der Black Liberation Theology im südlichen Afrika.
Kontakt: Prof. Stefan Michels






